Modelle wie Homeschooling und Freilernen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Für die jetzige Elterngeneration, in der einerseits das klassische „Arbeiten gehen“ zusehends kostspieliger wird (gilt vor Allem auf dem Land), andererseits das Schulprogramm, noch immer an veralteten Grundsätzen festhaltend, durch Zuwanderung und Überbevölkerung (in den Städten) zunehmend unattraktiv wird, wird das Zuhause Sein zu einer echten Alternative.
Hanna Albrecht
Malen, Basteln, Garteln, Filme schau’n, kleine kindgerechte Rituale, Nähen, Filzen, Baby, Bogenschießen und natürlich immer wieder das große Thema Tiere. Lesen, Schreiben, Rechnen wird regelmäßig trainiert. Die Externistenprüfung zu Schuljahrende gleicht jedenfalls ab der dritten Klasse Volksschule, wo eine ca. 10-minütige Präsentation von jedem Prüfling gehalten wird, einer „Mini-Matura“. Die Kinder der ganzen Gruppe wachsen unglaublich nach diesem Event, sie spüren, sie vollbringen recht Großes, altersgemäß mit sehr lieber und kompetenter Begleitung.
Wir starteten das Schuljahr wie auch schon das Jahr zuvor in der Initiative WINGS in Allentsteig, die heuer Verstärkung der besonderen Art hatte. Der Russe Andrej Karimov war die erste Woche auf Besuch, um der Gruppendynamik für das bevorstehende Schuljahr den richtigen Kick zu geben. Danach ging es für uns zu Hause weiter, denn im Oktober kam unser jüngstes Familienmitglied zur Welt.
Täglich von 9 bis etwa 12 Uhr bleiben die Kinder zu Hause, und werden – recht klassisch – von den älteren Familienmitgliedern „unterrichtet“. Da es zu Hause erst ein schulpflichtiges Kind gibt, das Zweite ist jetzt im Vorschuljahr, wird in dieser Zeit auch ganz viel gemalt, gebaut, gegessen, gekocht und gebacken, und wenn die Sonne scheint oder frischer Schnee gefallen ist, sind wir auch mal draußen. Es ist ein Weg zwischen ultimativem Systemzwang und dieser Vorgabe völlig losgelöster „Alternativen“.
Im Jahr 2012 schlossen wir uns einer kleinen Projektgruppe aus 5-6 Familien an. Damals war meine Älteste vier. Die Gruppe bestand vornehmlich aus Kleinkindern, die zusammen mit uns Eltern waren. Selten waren die einen oder anderen Kinder schon mal ohne dazugehörige Ältere dabei. Wir alle mussten unser Bestes geben, um den beiden Schulkindern in diesem Gewusel Raum zu verschaffen. Heute gehen alle Familien wieder ihrer Wege, dennoch, wir treffen von Zeit zu Zeit zusammen und ich merke dann bei den Kindern, das es ist, als wäre keine Zeit dazwischen vergangen.
Die Sache mit dem Glauben
Die Jahreskreisfeste – die acht „feste“n Termine neben den Geburtstagen, die ich mit meinen Kindern feiere, sind fixe Ankerpunkte der Vier Jahreszeiten. Wir lernen dann einfache Ritualbausteine wie Kerzen anzünden, im kleinen Kreis sitzen (und sitzen bleiben ), Danken, Bitten, Wünschen und kleine Räucherkunde. Im Schulkontext sind vor Allem folgende Feste von größter Bedeutung: Halloween*, Weihnachten*, Ostern*, Sommersonnwend*, Erntedank*. Sie werden immer vor dem eigentlichen Fest besprochen und vorbereitet.
Manch einer mag jetzt denken ‚Was, die feiern Halloween?‘ Ja, das tun wir! Es ist ein ur-europäisches Fest zu Ehren unserer Ahnen. Die Verkleidungen dienten ursprünglich dazu, die Dämonen und andere Wesen, die der menschlichen Gemeinschaft nichts Gutes wollten, bei Anbruch der dunklen Jahreszeit, der „Jahresnacht“ zu vertreiben… nur einmal im Jahr darf man als Kind (meist) ungescholten die Straßen unsicher machen, an jede Haustür klingeln, sich, seine „Fratzen“ zur Schau stellen. In unserem Dorf ist das auch heute so.
Jedes Fest hat seinen eigenen Charakter und dabei sind nicht unbedingt nur die christlichen Züge gemeint. Ich erzähl den Kindern von Jesus, besonders im Zusammenhang mit Weihnachten. Geschichten sind ein überaus wichtiges Gut unserer Kultur. So hat ein Kind, das die Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu Christi gehört hat, meiner Meinung nach einen wichtigen kulturellen Teil der Menschheitsgeschichte kennen gelernt. Natürlich ist es DIESES Fest, an dem wir EIGENLTICH den Sonnentiefststand, das wieder erwachende Licht aus der Dunkelheit feiern.
Bei Ostern muss ich da mehr differenzieren. Vielleicht, weil bei diesem Fest bis heute die archaischen Züge mehr im Vordergrund stehen so wie der nach dem Winter wieder erwachende (Oster)Hase, die traditionell rot/bunt bemalten Eier. Beide stellen neben anderen Symbolen (Henne, Küken, das Osterlamm etc.) die Fruchtbarkeit dar, die der Frühling dem Land schenkt. Vielleicht differenziere ich auch deshalb, weil ich den Kindern den Kreuzigungsmythos ersparen möchte. Ich meine, was wird aus einer Gemeinschaft, die kleinen Kindern beibringt, dass du an ein Kreuz geprangert wirst, wenn du dein Leben wie Jesus den Botschaften deines Herzens widmest, Nächstenliebe LEBST? Darüber sollte man und frau nachdenken.
Öffentliche Schulen und Externistenprüfung
In der Gegend gibt es aufgrund der großen Distanzen noch einige kleinere Volks- und Neue Mittelschulen, so auch in unserem Dorf. Weil der Schulbus mehrere Schulen anfahren muss, beginnt in der hiesigen Schule der Unterricht um 07:15. Es wird das klassische Notensystem angewendet, mehrere Bewegungsmöglichkeiten sowie die von den älteren Schülern betreute Bibliothek täglich angeboten und einmal wöchentlich wird ebenfalls von den Älteren „gesunde Jause“ verkauft, wobei das eingenommene Geld größeren Ausflügen und Projektwochen zugute kommt. Außerdem gibt es einen Turnsaal, in denen Trainings auch außerhalb der Schulzeiten angeboten werden. Zwei meiner Mädchen sind seit Oktober bei so einem wöchentlichen Training dabei und lieben es.
Das Vorschulkind will im Herbst dort anfangen. Da steigen wir natürlich auch drauf ein und waren gestern bei der offiziellen Schuleinschreibung für das Schuljahr 2017/18. Unsere Wohnung ist so gelegen, dass das Kind den Schulweg „hintaus“ zu Fuß alleine meistern wird können. Die anderen Kinder, mit denen wir gemeinsam in Mietwohnungen unseren Alltag verbringen, gehen alle in diese Schule, in der auch der Kindergarten untergebracht ist. Die Älteren und Jüngeren (6-14 Jahre) kommen in der extrafeinen Schulaula täglich zusammen. Der Kontakt ist von beiden Seiten nicht nur toleriert sondern sogar gewünscht. Auf mein zweites Töchterchen wartet also ein aufregendes erstes Schuljahr.
Meine Erstgeborene wird, wie auch schon die vergangenen zwei Jahre, in einer Schule mit Öffentlichkeitsrecht ihre Dritte Große Prüfung absolvieren. Im engeren schulischen Sinn wird für diese Prüfung eine Portfoliomappe des vergangenen Schuljahres und heuer erstmals auch eine Präsentation (ab der 3. Schulstufe) vorbereitet. Die Benotung durch die Lehrer erfolgt individuell (Noten 1-5). Schon jetzt machen wir immer wieder mal Fotos und sammeln akribisch die Übungszetteln aus Schreiben und Rechnen für das Portfolio.
Lehrplan und Rechtliches
Wir orientieren uns im Großen und Ganzen am österreichischen Lehrplan der öffentlich-rechtlichen Schulen, was das Lesen-Schreiben-Rechnen und Sachunterricht betrifft. Wie in jedem Kindergarten und an mancher Alternativschule gibt es zu Hause für alle ein reichhaltiges Angebot an motorischen und haptischen Lernmaterial.
Die Küche ist ein wichtiger Ort für interdisziplinäres Arbeiten. So wird beim gemeinsamen Kuchenbacken das Messen von unterschiedlichem Material (Milch, Mehl, Zucker…) ebenso erlernt wie zb. das Lesen von Zahlen in Rezepten oder auf der Küchenwaage. Hier wird auch genäht, gemalt, gebastelt und klassisch das Schreiben+Rechnen geübt.
Der Spielplatz vor dem Haus ist fixer Ankerpunkt, an dem alle sich von 0-99 treffen können.Die Kinder spielen, die Hausgemeinschaft/Elternschaft der kleineren Kinder wechselt sich ab. Eine optimale Grundvoraussetzung für eine positive Sozialisation von Hausunterrichtlern.
„Offiziell dürfen“ wir Eltern in Österreich also unsere Kinder „unterrichten“. Zudem haben wir ja jederzeit die Möglichkeit, eine Gruppe im Rahmen unserer Freizeitgestaltung aufzusuchen. Modelle wie Homeschooling und Freilernen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Für die jetzige Elterngeneration, in der einerseits das klassische „Arbeiten gehen“ zusehends kostspieliger wird (gilt vor Allem auf dem Land), andererseits das Schulprogramm, noch immer an veralteten Grundsätzen festhaltend, durch Zuwanderung und Überbevölkerung (in den Städten) zunehmend unattraktiv wird, wird das Zuhause Sein zu einer echten Alternative.
Beitrag von Hanna Albrecht
Kontakt:
Genia Lackey
Location
Verein WINGS
Genia Lackey
Ottensteinerstr. 8
3804 Allentsteig
Email: team[at]wings-genial.org
Tel. Nr.: 0664 400 3928
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